2020 - Vitus Saloshanka
Vitus Saloshanka - 12. Darmstädter Stadtfotograf
13.12.2019
Vitus Saloshanka wird 12. Darmstädter Stadtfotograf 2020
Kunstpreis der Werkbundakademie Darmstadt seit 1999
Jurysitzung erfolgte am 10.12.2019
Die Werkbundakademie Darmstadt lud eine siebenköpfige Jury am 10.12.2019 in die Pauluskirche um den/die 12. Darmstädter Stadtfotograf*in zu finden. Der Kunstpreis ist dieses Mal thematisch an den Darmstädter Reformarchitekten und Stadtplaner Friedrich Pützer gebunden. Aufgabe des/der Stadtfotograf*in ist allerdings keine reine Fotodokumentation sondern eine künstlerische Auseinandersetzung mit den Architekturen und Stadträumen sowie der Person Pützers. Nach drei Stunden Diskussion wird der in Minsk gebürtige Fotograf Vitus Saloshanka zum 12. Darmstädter Stadtfotografen 2020 gekürt. Das Preisgeld beträgt 3.000 EUR.
Seit 2001 lobt die Werkbundakademie Darmstadt den Kunstpreis Darmstädter Stadtfotograf aus, den ersten visuellen Stadtschreiber bundesweit. Fünf der Jurymitglieder waren aufgefordert einen Vorschlag zu unterbreiten und anhand von fünf exemplarischen Fotografien die jeweilig Arbeit der/des Fotograf*in vorzustellen.
Mitglieder der Jury und deren Kandidat/-in sind
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Brita Köhler, Kuratorin am Deutschen Architekturmuseum Frankfurt mit Kerstin Bucher
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Alexandra Lechner, freie Fotografin in Frankfurt mit Ulrike Hannemann
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Celina Lunsford, Leiterin Fotoforum Frankfurt mit Vitus Saloshanka
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Prof. Dr. Christoph Scholz, h-da Darmstadt, FB Gestaltung und freier Fotograf mit Fabian Stransky
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Marco Wittkowski, freier Fotograf und Geschäftsführer Werkbund NW mit René Kersting
Celina Lunsford schlug den mittlerweile in Frankfurt lebenden Fotografen Vitus Saloshanka vor, da er für seine Fotografien sehr lange an einem Ort verweilt und die Zeit als überbedeutenden Faktor mit einfließen lässt. Es entstehen fast malerische Fotografien. Alexandra Lechner überzeugte er durch seine kompositorische Note und das Gelingen den Mensch im Vordergrund zu platzieren. Die vorgestellten Fotografien bieten eine „Variation in der Bildsprache“, sodass Neugierde für weitere sich öffnen. Prof. Dr. Regina Stephan, auch Jurymitglied allerdings ohne eigenen Vorschlag, ist fasziniert von der Darstellung der „Architektur im Gebrauch“. Marco Wittkowski bestätigt dies mit der Aussage, dass „der Mensch zwar im Mittelpunkt, aber durch die Architektur, das Surrounding gehalten ist. Das erzählerische Element in den Fotografien lädt selbst den Betrachter zu verweilen ein.
Nach dem Überraschungsmoment der Freude 12. Darmstädter Stadtfotograf zu sein fasst Vitus Saloshanka folgendes Statement für sein kommendes Jahr in Darmstadt:
„Das Moderne Leben ist unentwegt rasanten Transformationen ausgesetzt. Die Fotografie ist für mich ein Mittel, die Ereignisse im täglichen Leben sowie in meinem Umfeld, meine Empfindungen, Erfahrungen zu reflektieren und zu einer Aussage zusammenzubringen.
Eine Stadt ist ein sehr dynamisches, sich ständig im Wandel befindliches Gebilde. Die Stadt und die dort lebenden Menschen interagieren miteinander und nehmen Einfluss aufeinander, bedingen eine gegenseitige Veränderung. In meinen Bildern versuche ich dieses wechselseitige Zusammenspiel zwischen Raum, Zeit und Mensch festzuhalten.“
Das Thema "Unterwegs in die Moderne: Friedrich Pützer"
Die Werke des Architekten und Stadtplaners (künstlerische Stadtplanung) Prof. Friedrich Pützer prägen das Darmstädter Stadtbild mehr als vielen bewusst ist. Nach Pützer ist zwar eine Straße benannt, aber nur Spezialisten verbinden mit dem Namen auch den Paulusplatz, den Hauptbahnhof oder bestimmte Villen auf der Mathildenhöhe. Pützers Werke sind – für Darmstadt eine große Ausnahme – weitgehend im Zweiten Weltkrieg erhalten geblieben. Man kann also noch etwas sehen und damit auch fotografieren. Pützer war von 1902 bis zu seinem Tode 1922 Professor für Architektur, Städte- und Kirchenbau an der Technischen Hochschule in Darmstadt. Er war ab 1908 Kirchbaumeister der Evangelischen Landeskirche.
Die Ausschreibung der Stadtfotografin oder des Stadtfotografen beschränkt sich auf die Arbeiten Pützers in Darmstadt ergänzt um die Dorfkirche in Affolterbach. Es wird also keine Gesamtdarstellung des umfänglichen Gesamtwerks angestrebt.
Bis in die siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts war Pützer selbst in Fachkreisen völlig vergessen. Dafür gab es mehrere Gründe. Er hatte sich zu seinen Arbeiten kaum literarisch geäußert. Vieles war bei ihm mit dem Jugendstil verbunden, der nach dem Ersten Weltkrieg abrupt ein Ende fand. Da Pützer kurz danach starb (1922), hatte er nicht mehr die Möglichkeit, mit neuen Bauformen hervorzutreten. Gleichwohl war er mit den technischen Lösungen seiner Objekte immer auf dem neuesten Stand und hätte zweifellos in der Zeit der Weimarer Republik auch mit Arbeiten, die einem neuen Bauen verpflichtet waren, Erfolge vorzuweisen gehabt.
Erwartet wird eine fotografische Auseinandersetzung mit Pützer, die den eigenen künstlerischen Maßstäben des Fotografen folgt und nicht nur einen traditionellen Bildband zum Ziel hat. Es wird neben den Aufnahmen von Einzelobjekten auch eine Sicht auf städtebaulich atmosphärische Zusammenhänge - also Pützers Architektur als Bestandteil des Darmstädter Stadtbilds - erwartet.
Pützer ist kein Gegenwartsarchitekt. Er gehört in den Zusammenhang der Lebensreformbewegung, der Reformarchitektur und des Jugendstils in den ersten beiden Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts, die zwar nicht dem Begriff, aber der Sache nach von der Idee des Gesamtkunstwerks geprägt waren. Gibt es ein Erbe Pützers, das heute noch zu pflegen wäre?