2003 - Franziska von Gagern
Franziska von Gagern – 3. Darmstädter Stadtfotografin
22.05.2003
Franziska von Gagern, Fotografin und Kamerafrau, wurde 1970 in Madrid geboren. Seit ihrer fotografischen Ausbildung vor 6 Jahren begegnete ich Franziska von Gagern immer wieder und beobachtete mit Freude und besonderem Interesse ihre Entwicklung als Künstlerin. Ihre Fähigkeit sich ohne jeden Vorbehalt auf Orte und Bildsituationen einzulassen hat sie in vielen Aufnahmeserien immer wieder neu gezeigt. Nicht nur bei uns, auch in Amerika, der arabischen Welt und Ostasien sind Bilder entstanden, die man erinnert, die einen verbinden mit der Einmaligkeit räumlicher Ereignisse. - in dem vorliegenden Projekt über Darmstadt wird ihre Arbeitsweise besonders deutlich.Nach eingehender Betrachtung der Stadtsituation traf die Fotografin ihre Entscheidungen. Die Bilder sollten schwarz/weiß sein, das Aufnahmeformat quadratisch und die Konzentration sollte auf wenige bekannte Orte der Stadt gerichtet bleiben: den Bereich des Bahnhofes, auf das alte und neue Theatergebäude, die Mathildenhöhe, die Rosenhöhe, den Stadtteil Bessungen und den Schlossbereich von Kranichstein.
An diesen Orten wird nach ihrem Empfinden das Besondere der Stadt deutlich. Weitere Bilder, die auf den Verbindungswegen entstanden, leiten die jeweiligen Themen ein. Um in die Bilder von Franziska von Gagern einzudringen ist es hilfreich, sich ihr nüchternes Vorgehen klarzumachen, mit dem sie ihr Arbeitsfeld absteckt. Klare Entscheidungen, kein Idealisieren oder Historisieren, keine Leitgedanken. Auch in der fotografischen Technik bleibt sie traditionell und sachlich ohne optische oder labortechnische Manipulation. Alles bleibt auf die reine Wahrnehmung hier und jetzt reduziert. Das, was ihre Augen während des Gestaltungsvorgangs sehen, ist ihr genug.
Wodurch entsteh die eindringliche Kraft und die Konzentration, die von ihren Bildern ausgeht?Im Gespräch mit der Bildautorin wird deutlich, wie sie allen Vorstellungen z. B. wie etwas ist oder sein sollte, sorgfältig aus dem Weg geht. Das ist nicht leicht in einer Welt, in der jeder aufgefordert scheint, sich an vielen Stellen des täglichen Lebens immer neu zu erklären und eigene Absichten zu begründen. Das Reden über den eigenen Weg führt besonders in konzeptuellen Gestaltungsabsichten bisweilen zu losgelösten oder auch rücksichtslosen Selbstdarstellungen.
Franziska von Gagern hat also keinerlei Konzept und keine Begründung dafür, warum sie etwas so tut wie sie es tut. Auch ist sie weit davon entfernt von jeglicher Wertung des Gesehenen. "Schönes kann hässlich sein und Hässliches kann schön sein" sagt sie. Manch sind irritiert, weil in ihren Bildern selten Menschen auftauchen. Dazu sgat sie: "Ich erlebe Menschen als Individuen einerseits oder aber als Gestalten oder Figuren. Der Respekt vor dem Einzelnen schließt eine Mischung aus beidem für mich aus."Aus der journalistischen Fotografien sind wir es gewohnt, dass Fotografie Fragen aufwerfen oder doch zumindest im dokumentarischen Sinn feststellen, wie eine Sache oder ein Lebewesen ist. Auch hier entzieht sie sich mit dem Hinweis: "Ich dokumentiere nicht und will nicht über die Dinge in meinen Bildern voreilig urteilen. Ich versuche mich einer Situation in ihrem Zusammenhang zu stellen und das besondere des Ortes aufzugreifen."
Mir scheint als sei sie auf der Suche nach dem menschlichen Maß, das sie zu den Bildausschnitten und besonderen Momenten führt. Jedenfalls wird in ihrem Blick auf die Dinge etwas grundsätzlich menschliches spürbar: unsere körperlich-sinnliche Bedingtheit. Erst wenn sie einem Gesprächspartner vertraut beschreibt sie etwas von dem, was ihr in den Momenten höchster Wachheit beim Fotografieren geschieht. Dann berichtet sie von Zuständen tiefster Verbundenheit mit den Dingen, auf die sie sich einlässt. In solchen Phasen will sie von niemandem gestört werden. Das Berühren und Berührt - Werden sind in diesem Vorgang nicht mehr voneinander zu trennen. Innere Freiheit und völlige Unabhängigkeit gehören zu den Voraussetzungen, um in Erlebnisräume zu gelangen, in denen solche Bilder entstehen können.Mir erschließt sich diese äußerst eigene Arbeitsweise in dem besonderen Verständnis von Zusammenhängen.Niemals geht es in einem Bild um das Eine o d e r das Andere.
Niemals ist das Dominante wichtiger als ein beiläufiges Detail. Harmonie scheint nicht das richtige Wort für das, was hier angestrebt wird. Die Dinge scheinen ein eigenes Leben zu haben und miteinander in einem Gespräch zu sein. Ich erlebe einen Raum, der sich zwischen den sichtbaren Einzelerscheinungen auftut. Manche von ihnen stehen unvermittelt, ohne Logik oder Vorbereitung im Bild. Sie sind besonders geeignet, dem durch sie entstandenen Raum einen besonderen Klang zu geben. Durch den meisterschaftlichen Umgang mit dem Format und dem Gespür für die Qualitäten des Lichts kann der Klang eines Bildes sich ausbreiten und uns - die Betrachter - erreichen."